Das “Duell” am ganz rechten Rand

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Das “Duell” am ganz rechten Rand

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Rededuelle zwischen tendenziell mindestens konservativen Politikern scheinen so eine neue Mode zu werden. Neulich erst debattierte der thüringische CDU-Chef Mario Voigt mit seinem AfD-Amtskollegen Björn Höcke bei “Welt”. Es war eine umstrittene Debatte. NRW-Ministerpräsident Wüst (CDU) sagte der Welt, Voigt habe der Demokratie “einen wichtigen Dienst” erwiesen.  (Zu diesem Zitat kommen wir später noch…)
Im AfD-Fraktionssaal im NRW-Landtag kam es unlängst zu einem ähnlichen Format. Da saß plötzlich Hans-Georg Maaßen. Der ehemalige Chef des Bundesverfassungsschutzes wird inzwischen nach ARD-Informationen von seiner Ex-Behörde selbst beobachtet und im Bereich Rechtsextremismus gespeichert. Anlass für den Aufenthalt des gebürtigen Mönchengladbachers (Rheindahlen westlich des Stadtteils Rheydt) war aber nicht ein Heimatbesuch, sondern ein Austausch mit Martin Vincentz, dem AfD-Fraktionsvorsitzenden. Maaßen, inzwischen Spitzenkandidat der Werte-Union bei der Landtagswahl in Thüringen, saß also im Fraktionssaal in einem ähnlichen Setting wie Voigt und Höcke. Für ein rechtes Alternativmedium des fränkischen Unternehmers Peter Weber sollten Maaßen und Vincentz über die Lage in Deutschland reden. Moderiert wurde das Ganze natürlich vom Chef des Portals, Weber selbst. Er gilt als Fan des AfD-Landeschef und ist inzwischen bei fast jeder größeren Veranstaltung in Vincentz’ Schatten zu sehen.
Gendersprache verbieten, SED-Leute raus
Angesichts des Settings war eine Kontroverse nicht zu erwarten, zu einig sollten sich die Diskutanten zumindest inhaltlich sein. Aber es ist ein spannender Einblick in eine Rhetorik, die unterschiedlicher nicht sein kann: Während Vincentz das national-liberale Gesicht der AfD sein will und auch eine entsprechend differenzierte Sprache nutzt, ist das bei Maaßen anders. Das fängt schon an, als der servile Peter Weber fragt, was Maaßen in den ersten 15 Minuten ändern würde, wenn er Ministerpräsident in Thüringen wäre.
Seine Antwort: “Eine Weisung an alle Landesdienststellen: Die Gendersprache im amtlichen Gebrauch ist verboten! Verstöße dagegen werden disziplinarrechtlich geahndet”, so Maaßen. Eine interessante Priorität, die er da setzt. Auch folgende Aussage lässt tief blicken, wenn er im unüberhörbaren Singsang der niederrheinischen Heimat über für ihn unliebsame Beamte und Beamtinnen im Staatsdienst spricht.
Es werde von vielen unterschätzt, wie wichtig Personalentscheidungen sind, so Maaßen. “Gerade die Grünen, die Linken, die SED-Leute in Thüringen, die wissen ganz genau, was Personalentscheidungen bedeuten”, doziert Maaßen. “Da kommt es nicht auf Leistungen und Befähigung an, sondern auf hundertprozentige, besser noch 150-prozentige Linientreue, ja absolute sklavische Loyalität gegenüber der Partei”, so Maaßen. Von diesen Leuten müsse man sich trennen.
Dabei weiß Maaßen ganz genau, wie schwer es ist, sich von Beamten und Beamtinnen zu trennen. Zum anderen zeigt er ja selber auf, dass er “sklavische Loyalität” verlangt, sonst würde er nicht – wie in dem Gespräch loben – dass seine politischen Gegner es besser verstehen, Personal einzusetzen.
Die Sache mit der “Landnahme durch Ausländer”
Bei der Ausländerkriminalität ist es für ihn einfach: Das Ausländerrecht diene dazu, dass “keine schleichende Landnahme von Ausländern” stattfindet. Das ist dann ganz nah am kleinsten gemeinsamen Nenner der Neuen Rechten, dem sogenannten “Bevölkerungsaustausch”. Es gehe ganz Rechts darum, diesen “als Phänomen anzuerkennen, ihn abzulehnen und durch eine alternative Bevölkerungs- und Identitätspolitik abwenden zu wollen”, schreibt zum Beispiel die Galionsfigur der rechtsextremen Identitären Bewegung, Martin Sellner, in seinem Buch “Regime-Change von Rechts”.
Der Verfassungsschutz wertet solche Aussagen und Inhalte als rechtsextrem, da die Chiffre “Bevölkerungsaustausch” bedeutet, dass die Staatsangehörigkeit für die Neue Rechte von ethnischen, also äußeren Merkmalen, abhängt. Dabei ist laut Grundgesetz das Staatsvolk eine rein rechtliche Kategorie und bedingt sich nicht dadurch, dass man eine gewisse ethnische Herkunft haben muss.
Wer also den “Bevölkerungsaustausch” durch Migration anerkennt, der handelt gegen das Grundgesetz, weil er die ethnische Herkunft der rechtlich geregelten Vergabe der Staatsbürgerschaft gleichstellt.
Das ist der zentrale Punkt im Verfahren zur Frage, ob die AfD ein “rechtsextremer Verdachtsfall” ist. Aktuell wird vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster genau darüber gestritten, also welchen Volksbegriff die AfD hat. Entsprechend vorsichtig äußert sich in dem Gespräch Martin Vincentz, Formulierungen wie Maaaßens “Landnahme” leistet er sich nicht.
Maaßen und die “Grünen Khmer” von der “Klimasekte”
Sowieso, das Grundgesetz, und damit zurück zum ehemaligen Spitzenbeamten Maaßen: Ihm hängt es scheinbar sehr am Herzen, solange da nichts drinsteht, was ihn als Rechtsextremist ausweisen könnte – siehe die Sache mit dem “Staatsvolk” und der “Landnahme”. Dass er die Klimapolitik für falsch hält, begründet er eben damit, dass das Grundgesetz die heute lebenden Menschen schütze und nicht die in 500 Jahren. Dass das Bundesverfassungsgericht das durchaus anders sieht, ignoriert Maaßen. Vielleicht sind die Richter auch “Grüne Khmer” oder Teil einer “Klimasekte, die die Politik infiziert hat”, die aus Deutschland eine Art früheres Kambodscha machen wollten.
Um das zu verhindern, hat Maaßen eine Idee, wie er bestehende Windräder loswerden will. “Ich würde über die Schulen die Kinder dazu auffordern, freitags sollten Sie mal mit Spaten und Hacke dann diese Windräder wieder flach legen und CO2-neutral entsorgen”, erklärt er seinen “Traum”, wäre er Ministerpräsident.
Was als nächstes? Wüst vs. Vincentz?
Strategisch ist das alles ein Geschenk für Martin Vincentz. Neben Maaßen wirkt er regelrecht harmlos und freundlich.
Auch dem AfD-Landeschef schwebt in Zuwanderungsfragen selbstredend eine restriktive Politik vor, auch er spricht von einem ausgrenzendem Diskurs gegenüber seiner Partei. Aber gesinnungsgeprüfte Massenentlassungen in den Ministerien oder etwaige Kinderarbeit stehen bei dem AfD-Landeschef in öffentlichen Äußerungen nicht auf dem Zettel. Und entsprechend will man sich die Aussagen des ehemaligen Verfassungsschützers nicht zu eigen machen. Ein Sprecher insistiert auf WDR-Nachfrage, auch wenn das juristisch kein Kriterium für verfassungsfeindliche Äußerungen darstellt , dass “alle Aussagen von der Meinungsfreiheit gedeckt sind”.
Aber für den AfD-Landeschef war es eine Art Testlauf, auch er hat die Zitate von Hendrik Wüst vernommen. Er schätze es daher, “dass auch Ministerpräsident Wüst solche Formate interessant findet, wie er im Anschluss an das TV-Duell Höcke gegen Voigt kundtat. Ich freue mich daher auf das TV-Duell Wüst gegen Vincentz, wozu ich Herrn Wüst gerne einlade”, so Vincentz.
Anders als Hans-Georg Maaßen wird Hendrik Wüst jedoch nicht den Weg in den AfD-Fraktionssaal finden. Da kann man sich (aktuell) ziemlich sicher sein.

Über den Autor

Geboren 1980, aufgewachsen am linken Niederrhein. Im WDR seit 2006 als Nachrichtenmann und politischer Berichterstatter unterwegs. Aktuelle Schwerpunkte bei SPD, AfD, Hochschul- und Sportpolitik im Land. Und sogar mit eigenem landepolitischen Podcast.

9 Kommentare

  1. Agathe Romberg am

    Danke für den informativen Bericht!!
    Ein echtes Gruseltrio, aber da zeigt sich auch die Dummheit dieser Drei, die so gut ins letzte Jahrhundert passen könnten.

    • Frank Aichele am

      Der Niederrheiner Hans Dieter Hüsch hat einmal (selbstkritisch) den Satz aufgestellt “der Niederrheiner weiß nix, kann aber alles erklären”. Der große Rheindahlener meint zwar, alles zu wissen, zumindest das, was sich im tausendjährigen Reich dahingehend angesammelt hat, und erklärt die Welt im Stile seines noch größeren Rheydters. Der Dr. Maaßen updatet halt nur ein bißchen. Immerhin räumt er ein, daß der Klimawandel vielleicht in 500 Jahren untergehen könnte. Damit befindet er sich doch in guter Gesellschaft derer, die die Grünen zum Feind erklären.

  2. Manuela Niblock am

    Dieses Interview zeigt doch genau, wie Demokratie funktionieren sollte. Miteinander reden, sich austauschen und Argumente darlegen. Bravo!
    Ausgrenzen, beschimpfen und unterdrücken, so wie es seit Jahren seitens Politik und Medien stattfindet, sind einer Demokratie unwürdig.
    Ich wünschte mir mehr solcher Runden, in denen sich Politiker unterschiedlichster Parteien (ohne eine große Oppositionspartei dabei auszugrenzen) auf diese Art austauschen und der Moderator nicht versucht bestimmte Gäste in irgendwelche Ecken zu schieben, um diese zu diskreditieren, sondern sachlich beim Thema bleibt und vor allem alle Gäste gleichermaßen ausreden lässt.
    Leider ist in unseren Medien (und auch in den Parlamenten) die Diskussionskultur inzwischen vollkommen verkommen.

  3. Wo kann denn das Rededuell der Herren Vincentz und Maaßen nachlesen / hören?
    Ich würde mir gerne selbst ein Bild machen 🙂

    Danke und Grüße

  4. Ex SPD-Wähler am

    Am 7.Mai steht der Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung zur Europawahl zur Verfügung, damit kann man etwas anfangen. Man bekommt einen Überblick, kann sehen welche Position vertreten wird mit Begründung und kann notfalls selbst im Wahlprogramm gezielt nachsehen.
    Was der Verfassungsschutz einordnet ist inzwischen bedeutungslos, nachdem Maaßen ausgetauscht wurde weil er eben nicht gemäß Regierungswunsch ein 19 Sek.-Video veröffentlicht von der linksextremen Antifa Zeckenbiss als Beleg für „Menschenjagden“ auf einer Demo von Rechts eingeordnet hat. Zumal zeitgleich die Aktionen im Hambacher Forst liefen und radikale Grüne werden noch heute als „Aktivisten“ geframt.
    Selbst der Begriff „rechtsextrem“ hat nach so vielem Missbrauch den Aussagewert Null, egal wer einordnet. Sprache verändert sich, soweit richtig. Aber wenn Sprache sich nicht von unten verändert sondern von oben oder einer Filterblase dann fällt das unter „Neusprech“ (aus Orwells 1984). Betrifft auch Gendern, wobei WDR-Richtlinie in Ordnung ist da Sonderzeichen im Wort nicht verwendet werden.
    Anfangen kann man aber hier was mit der Herleitung von „Bevölkerungsaustausch“ als grundgesetzwidrig, das ist ausführlich begründet und dem kann man begründet widersprechen ohne sich auf Worthülsen zu stützen zu müssen.
    Zwar wähle ich AfD, bin aber noch heute im sozialdemokratischen Denken verwurzelt und dann fällt der Begriff für mich nicht unter Rassismus sondern unter Lohndumping. Schröder hat tarifgebundene Arbeitsplätze in Vollzeit durch seinen besten Niedriglohnsektor ausgetauscht. Zwang der Arbeitsagenturen in sittenwidrige Arbeitsverträge sorgten für Ärger den man mit Ausländern aus ärmeren Ländern weniger hat.
    Parteiprogramm Bündnis Wagenknecht zu Migration:
    „Wir wissen: Den Preis für verschärfte Konkurrenz um bezahlbaren Wohnraum, um Jobs mit niedrigen Löhnen und für eine misslungene Integration zahlen in erster Linie diejenigen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen.“
    Inhalte entscheiden, nicht Framing (Manipulation durch Wortwahl); egal von welcher Seite aus welchen Motiven und egal zu welchen Thema.
    Mit „Vernunft“ (Wahlslogan BSW) kommt man auch von Links zu ähnlichen Einschätzungen wie von Rechts, wenn auch mit anderer Wortwahl. Das „Rededuell“ samt „Einordnung“ von der anderen Seite ist uninteressant und bedeutungslos.
    „Abschieben im großen Stil“ verspricht Scholz auch,
    aber wer glaubt noch diesem Wahlversprechen?

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